Start in die Selbständigkeit – 12 Antworten von einem erfahrenen Freelancer

Tipps von einem erfahrenen Freelancer

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Wir können euch ja viel über das Leben als Freelancer erzählen. 

Noch besser ist es aber, wenn ein erfahrener Freelancer dies selber tut. Deshalb haben wir mit Pascal Pietsch gesprochen. Pascal hat langjährige Erfahrung als „Berater, Coach und Trainer für Customer Relationship Management (CRM)“ mit Fokus auf Marketing Automation, Tool Evaluation, Prozess- und Kommunikationsmanagement. Darüber hinaus ist er ausgebildeter NLP-Trainer und unterstützt als AVGS- & Karriere-Coach (angehende) Freelancer auf ihrem Weg als Solopreneur. Hier spricht er über seine Erfahrungen in seiner Selbständigkeit. 

„Solange du ablieferst, sind deine Kunden glücklich“

1. Seit wann bist du Freelancer und wie bist du zum Freelancing gekommen?

Pascal: Nachdem ich vor ca. zwölf Jahren bei meinem damaligen Arbeitgeber intern in ein neues CRM-Team geholt wurde, hatte ich das große Glück in einem konzernweiten Projekt zur Umstrukturierung der CRM- und Marketing Automation Landschaft mitwirken zu dürfen. Dabei konnte ich mit Freelancer-Kollegen zusammenarbeiten, mich mit ihnen austauschen und fachlich von ihrer Expertise profitieren. Als ich dann glücklicherweise einen neuen Chef bekam, mit dem es auf vielen Ebenen nicht harmoniert hat, beschloss ich nach zwei Jahren in dieser Position meine Festanstellung zu beenden und mich auf die bevorstehende Geburt meiner Tochter zu konzentrieren. 

Inspiriert von meinen CRM-Freelancer-Kollegen, habe ich in meiner Elternzeit mein Portfolio definiert, einen Businessplan und einen Freelancer-CV erstellt und bin mit einem Gründungszuschuss ausgestattet in die Welt des Freelancens gestartet. Das war im August 2014.

 

2. Gab es irgendwelche Hürden oder Bedenken, die du anfangs hattest?

Pascal: Die größte Hürde war und ist die Stimme in meinem Kopf. Bedenken gab es damals sehr viele: Wird meine Expertise überhaupt gebraucht? Wo bekomme ich Kunden her? Wie kalkuliere ich meine Stundensätze? Was bin ich mir selbst überhaupt wert und ist jemand überhaupt bereit, das zu bezahlen? Und um Himmels Willen, was ist überhaupt mein USP?  Wie kommuniziere ich den? 

Fragen über Fragen. Und alle habe ich Dank emotionaler Unterstützung meiner Frau und mit Hilfe von Kollegen und Vertrauten sukzessive beantworten können. Und wohl auch, weil ich mich reingehangen und nicht aufgegeben habe, wie meine Frau sagen würde.

 

3. Und haben Bedenken sich bewahrheitet?

Pascal: Ein ganz klares Jein. Fachliche Fragen, die mit Logik, Recherche und Struktur gelöst werden können, sind der einfache Part. Schwieriger fand ich damals die mentale Stärke und das Selbstvertrauen so zu manifestieren, dass ich auf meinem Weg bleibe. Häufig wird uns ein Leben lang beigebracht, dass es im Job um Sicherheit geht. Und dann ist der Start in eine Selbstständigkeit für dein Umfeld erstmal alles andere als „sicher“. 

In Wahrheit – und das ist die Hürde, die jeder Freelancer meiner Meinung nach nehmen muss – ist Sicherheit nur ein mentales Konstrukt. Wer gut ist in dem was er tut, ein paar Regeln einhält und sich richtig aufstellt, der hat als Freelancer weitaus mehr Sicherheit als in einer Anstellung.

CRM Experte Pascal Pietsch

4. Gibt es positive Aspekte am Freelancer-Leben, die du nicht erwartet hattest?

Pascal: Oh ja! Das Überraschendste ist, dass du plötzlich ganz anders wahrgenommen wirst. Als Angestellter tauschst du eine feste Zeit deines Lebens gegen ein fixes Einkommen. Folglich wirst du daran gemessen, wie lange du im Büro / bei der Arbeit bist. Gehst du mal früher, wirst du schief angeschaut. Als Freelancer kommst und gehst du, wann du willst und es ist okay. Mehr noch, es wird sogar befürwortet. Denn wenn du nicht da bist, „kostest“ du kein Geld. Es geht einzig und allein um deine Leistung. Solange du ablieferst, sind deine Kunden glücklich. Ist das nicht schizophren? Sollte dies nicht auch oder erst recht für Angestellte gelten?

5. Was ist für dich das Schönste am Freelancer-Leben?

Pascal:  Ganz klar, so viel Zeit für meine Kinder zu haben, wie ich möchte! Einfach unersetzlich. Und die Freiheit das zu tun, was mich wirklich begeistert. Wir alle entwickeln uns weiter. Das ganz Leben lang. Für mich gilt und galt schon immer der Grundsatz: Okay, hier bin ich jetzt, wohin geht es als Nächstes? Nach der Schule wollte ich gerne Psychologie studieren. Leider haben weder NC, noch meine Persönlichkeit zu einer Universität gepasst. Umso glücklicher war ich, dass ich aufgrund meiner Freelancer-Tätigkeit die Freiheit hatte drei NLP-Ausbildungen zeitlich und finanziell realisieren zu können. 

So bin ich heute auf dem Weg dahin, wo ich beruflich wirklich dauerhaft glücklich sein kann. Und falls nicht, habe ich die Option mich so lange neu zu orientieren und mich umzustrukturieren, bis ich am Ziel bin. Wobei sich das Ziel wohl kontinuierlich und parallel zu meiner Entwicklung wandeln wird. 

 

6. Und was ist das mit am Abstand Nervigste?

Pascal: Der innere Drang, die Feste so zu feiern, wie sie fallen. Aufträge oder Projekte kommen, wenn sie kommen. Ob ich mich dann gerade in einer gewählten Auszeit befinde, gerade an eigenen Projekten arbeite oder gar noch einen parallelen Auftrag habe, ist irrelevant. Dann abzuwägen und ggf. auf eine Doppelbelastung zu verzichten, ist noch immer schwierig für mich und nervt mich selbst. 

An zweiter Stelle kommt die Einarbeitungsphase bei neuen Projekten. Die ist echt jedes Mal eine eine intensive Erfahrung. 

 

7. Hand aufs Herz: Gab es Situationen, in denen du deine Kunden am liebsten umgebracht hättest?

Pascal: Auf jeden Fall. Schmerzensgeld gehört wohl einfach mit dazu. Ich habe den eigenen Anspruch meine Arbeit bestmöglich abzuliefern und die an mich gestellten Erwartungen zu erfüllen. Auch meiner Reputation wegen. In einem Fall war ein Projekt so katastrophal, dass ich es vorzeitig beenden musste. Das war ein schwerer Schritt für mich und fühlte sich nach Versagen an. Rückblickend weiß ich, dass es ein Erfolg war. Eine Situation zu beenden und mich für Geld nicht länger zu quälen – das ist Selbstfürsorge. 

 

8. Lass uns über Geld sprechen: Verdienst Du als Freelancer mehr oder weniger im Vergleich zur Angestelltenkarriere, wenn Du diese fortgesetzt hättest?

Pascal: Es ist deutlich mehr als in einer Anstellung. Allerdings messe ich mein Einkommen nicht an der absoluten Zahl auf meinem Konto. Sondern an der Zeit, die ich für Herzensangelegenheiten zur freien Verfügung habe. Ich arbeite in Teilzeit und habe pro Jahr überdurchschnittlich viele Tage „frei“. Bei einem vergleichbaren Einkommen, wie in einer Vollzeit-Anstellung. Davon profitieren meine Kinder, meine Beziehung und meine persönliche und berufliche Entwicklung. Und das entspricht meiner Definition für beruflichen Erfolg. 

 

9. Wie gewinnst du deine Kunden? Kannst du abschätzen, wie viel Prozent Deiner Projekte Du im Laufe der Jahre über die folgenden Vertriebskanäle gewonnen hast?

  • Persönliches Netzwerk:
    40 Prozent
  • Personaldienstleister
    50 Prozent
  • Freelancer-Plattformen wie Upwork, Fiverr oder Malt:
    0 Prozent
  • Dein eigenes Marketing, z.B. Deine Webseite, Google-Anzeigen, Direktansprachen von Kunden in LinkedIn etc.: 10 Prozent.

Pascal: Mein bisheriges Schwerpunkt-Tätigkeitsfeld (CRM) ist überaus dankbar. Die Listung bei Personaldienstleistern und mein persönliches Netzwerk sorgten dafür, dass ich in den letzten zehn Jahren eigentlich gar keine Akquise betreiben musste. 

Die aktuelle Umstrukturierung meines Portfolios wird dies ändern. Zukünftig werden mein Netzwerk und die Eigenwerbung auf sozialen Netzwerken und meiner Website eine größere Rolle spielen. Ich schätze, dass diese Kanäle perspektivisch auf 40-50 Prozent wachsen werden (müssen).

 

10. Nach welchen Kriterien suchst du deine Projekte aus? Was sind wichtige Voraussetzungen für die Zusammenarbeit und was sind eher Red Flags?

Pascal: Grundsätzlich nehme ich nur Projekte oder Aufträge an, deren Anforderungen ich fachlich mit meiner Expertise abdecken kann. Darüber hinaus kommuniziere ich bei der Evaluation mit potenziellen Kunden klar, welche Leistungen ich auf welchem Niveau erbringen kann. Diese Form der Transparenz führt dann schon mal dazu, dass ich einem Kunden einen Kollegen empfehle oder den Auftrag ablehnen muss. Was bislang bei den Kunden sehr gut ankam und sie sich für meine Offenheit bedankt haben.

Und ja, ich habe auch eine Ausschlussliste von Branchen, die sich nicht mit meinem Wertesystem vereinbaren lassen. 

 

11. Was hättest du gerne schon gewusst, bevor du dich als Freelancer selbständig gemacht hast?

Pascal: Das ist eine schwierige Frage. Denn alles befindet sich im ständigen Wandel und jede Entwicklungsstufe hat genau zu seiner Zeit eine Daseinsberechtigung. 

Ich glaube es wäre sehr hilfreich gewesen zu wissen, dass ich nicht alles ganz alleine schaffen muss. Meine Stärken und Schwächen genau zu kennen, zu würdigen und mich zu trauen nach ihnen zu handeln. Hätte ich das schon früher erkannt, wäre mir der eine oder andere Schritt sicher leichter gefallen und ich hätte weniger oft gezweifelt. 

 

12. Welchen wichtigsten Tipp hast du für Leute, die gerade mit dem Freelancing starten?

Pascal: Gute Frage. Mir fallen da einige gute Tipps ein. Aber der wichtigste ist wohl: 

Seid euch euerer aktuellen Stärken und Schwächen bewusst und handelt danach! Soll heißen, entwickelt das Selbstbewusstsein eure Stärken zu nutzen und seid mutig genug, euch euren Schwächen zu stellen und sie zu verändern. Dann seid ihr authentisch und das spüren die Kunden.

Und noch eine Ergänzung – macht nicht alles alleine mit euch aus. Der Austausch mit Kollegen und Freunden ist ein stärkerer Hebel, als man oft denkt.

 

Vielen Dank, lieber Pascal! 

Hinweis: Bitte beachte, es handelt sich hier um die persönliche Erfahrung und Einschätzung des Interviewten. bizforward gibt hiermit keine allgemeingültigen Empfehlungen oder Aussagen hinsichtlich Erfolgsaussichten fürs Freelancing ab. Diese hängen von sehr vielen unterschiedlichen, individuellen Faktoren ab und können je nach Tätigkeit stark variieren.

 

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Titelbild von Rodeo Projekt Management Software / unsplash.com

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