Viele (angehende) Freelancer träumen davon, zumindest einen Teil des Jahres von unterwegs als Digitaler Nomade zu arbeiten. Unsere Kollegin Sarina Sliwke hat diesen Traum bereits realisiert und berichtet hier von ihren Erfahrungen.
Seit wann bist Du als Digitale Nomadin unterwegs und wie hast Du geschafft, diesen Traum zu realisieren?
Gestartet bin ich damit im September 2020, davor gab es noch einen Vorbereitungszeitraum, aber seitdem bin ich regelmäßig ortsunabhängig unterwegs und arbeite von verschiedenen Orten in Deutschland oder irgendwo aus dem Ausland.
Geschafft das zu realisieren habe ich durch den Job bei bizforward. Die Idee war tatsächlich schon vorher da. Ich habe also gezielt meinen alten Job gekündigt, um mir einen Remote Job zu suchen, der es mir ermöglicht, ortsungebunden arbeiten zu können. Da das zur Hochzeit der Pandemie war, war es erstmal einfacher, sich auf Europa zu beschränken. Ich machte mich also auf die Suche nach einem Job, der mir das ermöglicht und dabei bin ich auf bizforward gestoßen, die sich ja inzwischen komplett remote aufgestellt haben. Zunächst war man auch hier erstmal skeptisch, ob full remote funktioniert. Daher sagten sie mir zunächst ab. Doch nach ein paar Wochen, kamen sie nochmal auf mich zu und innerhalb von drei Tagen fing ich meine neue Stelle an. Da war ich gerade in Griechenland.
Wieso war es dir wichtig, ortsunabhängig zu arbeiten?
Sarina: Die Idee ist eigentlich peu à peu entstanden, damals durch meinen Freund, der kurz davor in einem neuen Remote Job gestartet war. Wir hatten dann die Idee, einen Van zu kaufen und auszubauen, damit durch Europa zu fahren und von unterwegs aus zu arbeiten.
Also, ausschlaggebend war der Wunsch, viel von der Welt zu sehen?
Sarina: Ja, genau. Und der Wunsch, Freizeit und Arbeitsleben zu kombinieren, und nicht mehr den klassischen 9-to-5-Job zu haben, sondern einfach von den unterschiedlichsten Orten zu arbeiten, parallel zur Arbeit unterschiedliche Orte kennenzulernen, sich nicht nur auf sechs Wochen Jahresurlaub beschränken zu müssen.
Wie viel bist du denn im Jahr unterwegs in anderen fernen Ländern?
Sarina: So im Schnitt immer die Hälfte des Jahres. Aber in Teilen. Also, zwischendurch bin ich immer wieder mal für ein paar Wochen oder Monate in Deutschland.
Wie hast du dich vorbereitet auf das Dasein als Teil-Digitale Nomadin?
Sarina: Hauptsächlich jobmäßig. Klar, ich musste den anderen Job vorher aufgeben. Ich hab‘ das unabhängig davon gemacht, was Neues zu haben, es ging erstmal darum, loszureisen. Ich hab‘ mich von unterwegs auf die Suche gemacht.
Ich hatte aber schon von Deutschland aus angefangen zu suchen, da haben auch die ersten Gespräche mit bizforward stattgefunden.
Natürlich muss man sich vorher auch Gedanken machen, wie man gerade den Start finanziert und man sollte ein paar Ersparnisse haben, um Lücken überbrücken zu können.
Ansonsten war als Vorbereitung natürlich der Vanausbau total wichtig. Der musste fertig sein. Da haben wir am gleichen Tag, an dem wir losgefahren sind, noch die letzte Schraube reingeschraubt. Und dann ging es los, schon mal die ersten hundert Kilometer zu fahren.
Ein Van ist für dich also schon so eine Grundvoraussetzung? Es gibt ja auch die Möglichkeit, als Backpacker unterwegs zu sein, von Hostel zu Hostel, und von irgendwelchen Coworking Spaces zu arbeiten.
Sarina: Ich glaube, das ist immer sehr von der Tätigkeit abhängig, die man macht, wie sich das ausgestalten lässt. Bei meiner Tätigkeit, bei der viele Calls mit Kollegen oder Externen stattfinden, bin ich natürlich auf einen ruhigen Ort angewiesen. Das lässt sich sicher auch anders ausgestalten mit Backpacking, aber ich stelle mir das schon etwas stressiger vor, als wenn man seinen eigenen Van und kleines Büro – also ein ruhiges Zimmer – immer dabei hat, als wenn man sich regelmäßig was Neues suchen muss.
Wer gerne noch mehr Abenteuer dabei hätte, der kann gerne backpacken?
Sarina: Ja. Aber auch wenn man einen anderen Job hat, wo man nicht so viel sprechen muss und im Stillen vor sich hinarbeiten kann. Da ist man dann sicher noch ortsunabhängiger.
Gibt es auch Nachteile am Dasein als Digitale Nomadin?
Sarina: Klar. Wichtig ist natürlich, dass die Vorteile überwiegen, aber es gibt schon auch Nachteile. Sei es die Herausforderungen, die man sonst in einem normalen Büroalltag nicht hat. Wie z.B. sicherzustellen, dass die Internetverbindung funktioniert, dass man diesen ruhigen Ort hat, den man sich beschaffen muss, dass man wenig direkten Kontakt mit anderen hat, sondern immer nur virtuell. Dass man eben nicht diesen Plausch an der Kaffeemaschine hat. Man muss sich seinen Arbeitsalltag neu gestalten und auch Lust darauf haben, sich oft neuen Situationen auszusetzen und sich neu einzufinden.
Du kannst z.B. nicht jeden Tag im gleichen Supermarkt einkaufen gehen, sondern musst dich immer wieder neu zurechtfinden. Das sind Bereiche, die auch zum Nachteil werden können. Da lernt man diese kleinen Dinge in einem normalen Arbeitsalltag wieder wertzuschätzen.
Das heißt also, wenn jemand gerne seine feste Routine jeden Tag hat, für den ist das wahrscheinlich nichts, so zu leben und zu arbeiten oder was würdest du sagen?
Sarina: Also, es ist definitiv so, dass die Routinen anders ausfallen. Das war auch eine Herausforderung, über die ich vorher vielleicht nicht so viel nachgedacht habe, aber es lassen sich natürlich Routinen etablieren. Und eben bei Dingen, die alltäglich sind und die routiniert passieren, wie z.B. das Einkaufen, ist das nicht mehr so. Deswegen muss man sich andere Bereiche suchen, wo man sich einen gefestigten Ablauf suchen kann.
Kannst du Beispiele für deine Routinen nennen?
Sarina: Wenn ich unterwegs bin, versuche ich jeden Tag Yoga zu machen oder zu meditieren. Aber auch feste wöchentliche Termine wie der Wocheneinkauf oder das Auffüllen des Wassertanks können Struktur geben. Natürlich klappt das nicht immer alles nach Plan, z.B. an Tagen mit Ortswechsel.
Also, ich würde schon sagen, dass es möglich ist, eine gewisse Routine zu haben, aber es ist am Anfang eine Herausforderung. Da musste ich bewusst danach schauen, wo ich die Möglichkeit dazu habe, diese aufzubauen.
Sind die Herausforderungen auch andere als Digitale Nomadin? Sowas wie – du kommst irgendwo hin und dann funktioniert wider Erwarten das Internet doch nicht so gut, wie du gedacht hattest?
Sarina: Genau. Das ist das Thema Planung. Ich hab‘ mir angewöhnt, schon sonntagabends den Ort für die nächste Woche zu suchen, um zu kontrollieren, dass das Internet auch funktioniert und ich nicht in Not gerate.
Also, muss man als Digitale Nomadin vorausschauender sein, was die Arbeitsorganisation angeht?
Sarina: Ja genau, es bedarf einfach Planung im Voraus, weil du nicht immer in dieselbe Umgebung kommst.
Hast du einen Lieblingsplatz? Was ist für dich ein idealer Ort, von dem du am liebsten arbeitest?
Sarina: Bezogen auf die Umgebung: Irgendwie naturnah und die Möglichkeit, draußen zu sein, also irgendwo, wo das Wetter schön ist. Wo man von der Terrasse aus arbeiten kann, oder vor dem Van arbeiten kann, sich ein Outdoor Büro einrichten kann, wo man einfach in der Natur ist.
Prinzipiell finde ich es auch immer toll in Cafés zu arbeiten. Das ist aber auch abhängig von der Tätigkeit, die man ausübt. Ich finde ein Café ist eine schöne Umgebung, wenn es sowas wie ein Coworking ist, wo dann auch mehrere Leute mit Laptops sitzen. Das find ich immer sehr inspirierend, man führt gute Gespräche, man lernt nette Leute kennen. Das kann aber auch mal stressig werden, wenn man dann spontan einen Call machen muss und nicht die Möglichkeit hat, sich schnell zurückzuziehen.
Gibt es einen schönen Ort oder ein Land, das du empfehlen kannst, wo es dir bisher am besten gefallen hat?
Sarina: Was das digitale Arbeiten angeht, könnte ich jetzt nicht ein Land nennen, wo es besser oder schlechter geklappt hätte. Das ist eine Frage der Organisation und in allen Ländern, in denen ich bisher gearbeitet habe, hat es immer irgendwie funktioniert. Generell würde ich immer Griechenland empfehlen, weil das ein sehr schönes Land ist. Ich fand, da hat alles gestimmt: die Mentalität, das Essen, die Natur, das Wetter. Das war alles sehr schön.
Aber ich glaube mittlerweile sind auch viele Orte entstanden, die als „Digital Nomad Hotspot“ bekannt geworden sind, sei es Lissabon oder Kapstad, Bali. (Lies dazu auch: Die 5 besten Orte für eine Workation in Europa). Da ist der Aufenthalt ein bisschen zivilisierter, als wenn man irgendwo mit dem Van unterwegs ist, das ist einfach eine andere Art, unterwegs zu sein. Letztes Jahr hab‘ ich ja noch drei Monate aus Kapstadt gearbeitet, das war dann eher so dieser „Digitale Nomaden Style“. Das hatte auch was für sich, länger an einem Ort zu sein. Aber da war auch das Schönste, in einer Umgebung mit gutem Wetter zu sein, in der Natur sein zu können, und Arbeitsalltag mit Urlaubsgefühl kombinieren zu können.
Gibt es irgendwas an dieser Art zu arbeiten, was dich überrascht hat? Sowohl positiv als auch negativ.
Sarina: Überrascht hat mich tatsächlich doch, dass sich Arbeit viel weniger nach Arbeit anfühlt. Erhofft hatte ich mir sowas, aber ich war nicht sicher, ob es so sein würde. Das kommt dadurch, dass man den Laptop zuklappt und direkt in Urlaubsstimmung ist. Die Freizeit, die man hat, nutzt man direkt ganz anders. Weil man sich nicht nach der Arbeit aufraffen muss, weil du ja schon da bist, wo du sein willst. Deswegen ist ein solcher Alltag natürlich auch sehr intensiv, jeder Tag für sich ist einfach sehr voll mit vielen Eindrücken, aber im positiven Sinne.
Negativ ist – was ich nicht so extrem erwartet hätte – dieser große Punkt mit Routinen. Also, dass mir das am Anfang wirklich schwergefallen ist und ich auch gemerkt habe, dass ich darunter auch etwas gelitten hatte und mir das alles schwerer gemacht hat. Als ich aber meine Routinen gefunden hatte, war das für mich in Ordnung.
Ich glaube, das liegt daran, dass man im normalen Arbeitsalltag, an seinem festen Ort, gar nicht merkt, was man alles routiniert hat. Und so hab‘ ich gemerkt, dass Routinen auch was Positives sein können und nicht nur negativ.
Gibt es Orte oder Locations, die man meiden sollte?
Sarina: Nee, kann ich eigentlich nicht sagen. Das, was mich am meisten gestresst hat war, wenn es Probleme mit dem Internet gab. Aber das hat sich dann auch alles eingespielt. Als ich wusste, dass das einfach vorher prüfen muss oder einen Plan B haben muss, war das auch kein Problem mehr. Dazu muss man sagen, dass überall im Ausland das Internet besser ist als in Deutschland.
Von den Orten ist mir nichts in so negativer Erinnerung geblieben, dass ich davon abraten würde.
Gab es einen besonderen kuriosen Ort, an dem du mit dem Van standest und von wo aus du gearbeitet hast?
Sarina: Ja, ich glaube, das war auch der schönste Ort, an dem ich auf der Van Reise war. Das war eine einsame Bucht im Nordosten von Griechenland, anderthalb Stunden bis zur nächsten Stadt und da war nichts außer Olivenbäumen. Und man hatte trotzdem bestes Internet.
Dort war ich eine Woche. Ich konnte direkt nach der Arbeit ins Meer springen. Das war schon ein besonderer Ort. So weit weg von der Zivilisation und trotzdem beste Arbeitsbedingungen.
Was muss man aus Versicherungs- und Steuergründen beachten? Gibt es bestimmte Sachen, die du vorsichtshalber einhältst?
Sarina: Wenn man da genaue Details wissen will, sollte man natürlich einen Anwalt fragen. Was sicher wichtig ist, ist, dass man das Ganze mit dem Arbeitgeber abstimmt, sofern man angestellt ist. Für Freelancer ist das natürlich egal, wobei man das manchmal mit Auftraggebern auch abklären sollte, besonders, wenn man in einer anderen Zeitzone unterwegs ist. Generell sollte man sich immer vorher erkundigen, wie die Regelungen für ein bestimmtes Land sind hinsichtlich Visum, Aufenthaltsgenehmigungen, Steuern oder Versicherungen.
Für Arbeitnehmer gilt die 183 Tage Grenze, die besagt, dass man mehr als die Hälfte des Kalenderjahres in dem Land sein muss, um dort auch hauptsteuerpflichtig zu bleiben. Bei Selbständigen ist es komplizierter. Entscheidend ist zum einen der Hauptwohnsitz, zum anderen aber auch, wo die Einkünfte erzielt werden. Freelancer, die viel oder ganz vom Ausland arbeiten möchten, sollten sich daher unbedingt von ihrem Steuerberater beraten lassen.
Welche Tools und Gimmicks hältst du für unverzichtbar für alle, die von unterwegs arbeiten?
Natürlich abgesehen von Laptop und Handy.
Sarina: Definitiv eine ausreichend große Powerbank, die immer gut aufgeladen sein sollte. Die macht das Leben sehr viel leichter, wenn man mal keine Steckdose in der Nähe hat. Auch für Länder, in denen Stromausfälle auch öfter mal vorkommen, wie z.B. Südafrika.
Ebenso unverzichtbar sind gute Kopfhörer. Ich warte noch auf die Generation, die komplett Hintergrundgeräusche aus dem Mikro herausfiltert, um auch im öffentlichen Raum ungestört Telefonate durchführen zu können. Da gibt es leider noch nichts, was richtig gut ist.
Was ich auch noch als hilfreich über die Zeit schätzen gelernt habe, ist so ein kleiner Laptop Ständer, um den Laptop höher zu holen oder mal im Stehen arbeiten zu können.
Wo geht’s als nächstes hin?
Sarina: Das ist noch nicht so konkret geplant, aber wahrscheinlich wieder was Längerfristiges. Also nicht so ganz nomadig, mit ständigem Ortswechsel, sondern wahrscheinlich erstmal nach Barcelona für ein paar Monate.
Vielen Dank, liebe Sarina!
Titelbild von Samer Daboul / pexels.com