Särge online verkaufen? Wie KMU vom E-Commerce profitieren

E-Commerce für KMU

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Das Thema E-Commerce ist aus unserer digitalisierten Welt längst nicht mehr wegzudenken. Trotzdem tun sich insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland oft noch schwer damit, die Möglichkeiten dieses Vertriebskanals für sich zu nutzen. Im Interview mit uns erklärt E-Commerce-Experte Alexander Steireif, welches Potenzial im Online-Handel steckt und wie der Einstieg erfolgreich gelingt.

Interview E-Commerce Alexander Steireif | bizforward GmbH
E-Commerce-Experte Alexander Steireif

Über Alexander:

Alexander Steireif ist selbstständiger Berater für das Thema E-Commerce und digitaler Vertrieb. Seit mehr als 15 Jahren unterstützt er insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sowohl strategisch als auch operativ auf ihrem Weg zum erfolgreichen Online-Geschäft. Sein Wissen teilt Alexander ebenfalls gern im Rahmen von Seminaren, Vorträgen und als Autor verschiedener Fachbücher.

 

Für wen siehst Du das Thema E-Commerce als besonders relevant an, welchen Unternehmen würdest Du den Einstieg empfehlen?

Das ist definitiv eine knifflige Frage. Meiner Meinung nach ist der E-Commerce für die meisten Unternehmen wichtig. Ich könnte hier auch nicht zwischen B2C und B2B differenzieren, zumindest nicht, solange Waren und Dienstleistungen vertrieben werden. Man assoziiert E-Commerce ja gerne mit Zalando, OTTO oder home24, also Unternehmen im Endverbrauchergeschäft.

Aber das ist der kleinere Markt. In Summe spielt der E-Commerce für produzierende Unternehmen eine wesentlich größere Rolle. Oder sollte. Leider haben viele KMUs aus dem produzierenden Gewerbe, speziell in Deutschland, den Einstieg aber bisher schlicht verschlafen und müssen nun kräftig aufholen.

Welche Denkfehler machen Unternehmen Deiner Erfahrung nach häufig im Zusammenhang mit E-Commerce?

Lass mich auf die kleinen- und mittelständischen Unternehmen zurückkommen. Gerade in meiner Heimat in Süddeutschland geht es den meisten KMUs momentan wirtschaftlich so gut, dass sie den E-Commerce für „uninteressant“ betrachten. Die Auftragsbücher sind voll, der Außendienst arbeitet am Anschlag und der Gewinn konnte kontinuierlich gesteigert werden.

Der Fehler ist, in den guten Zeiten nicht für die Zukunft vorzusorgen. Zum einen wird sich die Entwicklung abkühlen, zum anderen werden Kundenakquise und Mehrwertdienste in 3 bis 5 Jahren komplett anders aussehen als heute. Und dann werden die Unternehmen gewinnen, die ihren Vertrieb digitalisiert, eine E-Commerce Lösung aufgebaut und ganz grundsätzlich ein „digitales“ Mindset entwickelt haben.

Um ein provokantes Beispiel zu bringen: Wer hätte vor 10 Jahren daran gedacht, dass man Särge und Bestattungsservices online kaufen kann.

Welche Faktoren bestimmen maßgeblich den Zeit- und Kostenaufwand für den Einstieg in den E-Commerce?

Diese Frage ist leider so pauschal nicht zu beantworten, da es eine Vielzahl an externen und internen Faktoren gibt, die einander bedingen. Da ist etwa das Marktumfeld: Wenn der Wettbewerb schon recht stark im E-Commerce aufgestellt ist, so muss man selbst diese etablierten Unternehmen überflügeln. Das geht meist nur mit innovativen Features und einem großen Marketingbudget.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch interne Faktoren. Gewisse Geschäftsmodelle erfordern höhere Investitionen in das technische Setup als andere. Wenn Online-Konfiguratoren entwickelt werden müssen oder die Integration in die eigene IT-Infrastruktur enorm komplex ist, so ist der Investitionsaufwand höher.

Will ich beispielsweise günstige Grills verkaufen und damit den Markt aufrollen, muss ich in die Vermarktung und ein wirklich effizientes Setup investieren, um Reichweite aufzubauen und meine Vertriebskosten niedrig zu halten. Bin ich in einem höheren Preissegment unterwegs, macht es Sinn, das Geld in Konfiguratoren, hervorragende Produktdaten und informierenden Content zu investieren.

Am Ende des Tages steht und fällt der Aufwand mit den individuellen Anforderungen. Umso wichtiger ist es, nur die Anforderungen zu realisieren, die für den wirtschaftlichen Erfolg im E-Commerce tatsächlich notwendig sind. Oftmals realisieren Unternehmen nämlich die falschen Dinge und verbrennen somit unnötig Budget. Das ist übrigens eine der Herausforderung, zu denen ich meine Kunden berate. Es geht darum, mit den verfügbaren Mitteln das Maximum aus dem E-Commerce herauszuholen.

Welche Fragen sollte man sich bei der Entscheidung für ein Shopsystem stellen bzw. wie findet man das richtige Shopsystem, das zum Unternehmen passt?

Ein Shop-System ist nur ein Werkzeug. Und kein Werkzeug ist per se gut oder schlecht. Es kommt immer darauf an, was ich damit machen möchte. Ein Schraubenzieher ist ja auch kein schlechtes Werkzeug, dennoch haue ich damit keine Nägel in die Wand. Mit diesem Gedanken sollte man an die Auswahl herangehen.

Das „perfekte“ Shop-System leitet sich also ganz unspektakulär aus den Anforderungen ab. Nachdem alle Anforderungen im Rahmen eines Requirements Engineerings definiert wurden, kann mit der Suche begonnen werden.

Dabei wird man nie 100 % Übereinstimmung erreichen – und Lizenzkosten sowie weitere, eher weiche Faktoren hinsichtlich der Anbieter spielen ja auch eine Rolle. Mein Tipp an dieser Stelle: Immer ohne konkrete Vorstellung an eine bestimmte Software die Anforderungen aufnehmen und spezifizieren – und anschließen schauen, welche Lösung(en) am besten passt.

Welche KPIs werden Deiner Einschätzung nach zu häufig vernachlässigt?

Kommt etwas auf die KPIs an, die du meinst. Wenn es um bereits im Betrieb befindliche Online-Shops geht, so sehe ich vor allem die Marketing-KPIs häufig vernachlässigt. Wie viel Geld kostet es mich eigentlich einen Kunden zu gewinnen? Das ist doch eine der zentralen Fragen im E-Commerce. Ich habe aber schon etliche Kunden getroffen, die schlicht nicht wissen – zumindest nicht valide -, wie viel ein Neukunde kostet.

Spannend wird es dann, wenn die Kosten eines Neukunden über dem Profit der ersten Bestellung liegen und dem Unternehmen das überhaupt nicht bewusst war. Das ist ja per se nicht schlimm, nur sollte sich dann zwangsläufig die gesamte Strategie drehen. Man muss nun aus einem Kunden mehrere Bestellungen generieren, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Das zieht einen Rattenschwanz an Änderungen und Anpassungen in Sales, Marketing und auch in der IT nach sich.

Die klare Definition und die Überwachung der KPIs entscheidet tatsächlich über Erfolg und Misserfolg. Ich kann Unternehmen nur ans Herz legen, wesentlich mehr „data driven“ zu arbeiten, ganz gleich in welchem Bereich.

Was ist Deiner Erfahrung nach die größte Herausforderung bei Projekten im E-Commerce?

Es trifft zwar nicht immer zu, die erste große Herausforderung ist aber meist, das E-Commerce Projekt überhaupt erst mal auf den Weg zu bekommen. Im Unternehmen macht man sich mit dem E-Commerce zwangsläufig Feinde, angefangen beim Außendienst.

Dies wird aber nur dann zu einem zähen Konflikt, wenn das Projekt, die Ziele und auch die Vorteile nicht klar kommuniziert sind. Der initiale Start in den E-Commerce ist daher vermutlich die größte und schwierigste Hürde.

Alle nachgelagerten Themen wie Anforderungsmanagement, Projektrealisierung und der Go Live – das ist für mich Handwerk. Heißt nicht, dass es hierbei keine Herausforderungen gibt, aber diese sind in der Regel einfacher zu meistern als der initiale Start.

Wie kann man diesen Herausforderungen am besten begegnen?

Transparenz, eine klare Linie und offene Kommunikation – das sind Schlüsselkriterien für den Erfolg im E-Commerce. Je mehr Personen innerhalb eines Unternehmens sich abgeholt und eingebunden fühlen, desto höher ist die Akzeptanz. E-Commerce darf nicht immer stillschweigend als Job-Vernichtungsmaschinerie angesehen werden. Ein Online-Shop nimmt einem Außendienst ziemlich viele ungeliebte Tätigkeiten ab und erlaubt die Fokussierung auf wichtigere Themen. Aber genau das muss intern kommuniziert und diskutiert werden.

Welche Rolle spielen Online-Marktplätze wie Amazon, Ebay und Co.?

Für etliche Unternehmen können Marktplätze der einzige Kanal in Sachen E-Commerce sein, diese sollten im Umkehrschluss auf einen eigenen Shop verzichten. Für andere Unternehmen wiederum sind Marktplätze die perfekte Ergänzung und für wieder andere der Erzfeind. Es kommt hier also ganz stark auf das Marktumfeld und das eigene Geschäftsmodell an. Da sind wir auch wieder bei der Frage zu den Kostenfaktoren.

Fakt ist aber, dass man die Marktplätze ja nicht aus der Welt schaffen kann. Man kann nicht gegen ein Amazon und eBay ankämpfen. Im Idealfall findet man eine friedliche Ko-Existenz, von der beide Seiten profitieren. Es ist ja nicht unüblich, z.B. über Amazon Neukunden zu generieren, die aber im späteren Lebenszyklus im eigenen Shop einkaufen. Selbiges gilt auch für eBay.

Wichtig ist eben, dass die Marktplätze strategisch bespielt werden. Ich den seltensten Fällen kann ich einfach die Artikel meines Online-Shops zu den gleichen Preisen und Konditionen wie im eigenen System verkaufen und dann auf relevante Umsätze hoffen. Der Wettbewerb auf den Marktplätzen ist hart, eben weil alles sehr transparent abläuft. Am Ende gewinnt der günstigste Anbieter mit den besten Bewertungen.

Welche Trends oder Veränderungen siehst du kommen, auf die man sich einstellen sollte?

Kommt darauf an, welchen Bereich man innerhalb des E-Commerce betrachtet. Letztendlich gibt es so viele Entwicklungen, die zum Teil parallel ablaufen, zum Teil medial gar nicht breitgetreten werden aber hoch innovativ sind.

Wenn ich mich aber festlegen müsste, würde ich sagen, dass die Verknüpfung zwischen Online-Handel und Offline-Handel im B2C zunehmen wird und auch über den Erfolg bzw. Misserfolg von Unternehmen entscheidet. Das kann man aktuell schon ganz gut an Unternehmen wie Cyberport sehen.

Man kann sowohl in der Filiale wie auch online einkaufen. Es kommt nicht mehr so auf den Channel an. Wenn ich direkt etwas brauche, bestelle ich das Produkt per Smartphone und hole es direkt in der Filiale ab, wenn ich warten kann, lass ich es nach Hause liefern. Die Verschmelzung von Online und Offline wird zunehmen, das wird für eine enorme Flexibilität bei den Konsumenten sorgen.

Zudem wird Voice Commerce eine größere Rolle spielen. Es gibt genügend Produkte, die ich mir nicht an einem Computer anschauen muss, um diese zu bestellen. Speziell bei Verbrauchsgütern im B2B. Das grafische Frontend als reine Interaktionsebene wird an Bedeutung verlieren und Smart Speaker / Voice Systeme werden an Bedeutung gewinnen.

In beiden Fällen geht es übrigens letztendlich um simplicity, sowohl bei der Eingabe, wie auch bei der Lieferung, dem Channel – der Weg wird flexibler und damit für den Konsumenten einfacher.

Und zum Abschluss noch eine etwas persönlichere Frage: Wo siehst Du Dich als Unternehmer in 5 Jahren?

Das lässt sich mal schnell beantworten: Ich habe gemeinsam mit meinem Team die Mission KMU erfüllt und 1000 kleine- und mittelständische Unternehmen für den E-Commerce „enabled“. Danach beginnt eine neue Mission – frag mich bloß nicht welche. Vielleicht werden wir ja eine Mission zur Optimierung des E-Commerce in Deutschland starten 😉

Bildquelle: © Depositphotos.com/dedivan1923 (Ivan Kruk)

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